Leo Wunsch kam am 26. Oktober 1877 in Schubin in der preußischen Provinz Posen als Sohn von Gerson Wunsch und dessen Ehefrau Helene, geb. Henoch, zur Welt. Leo hatte mindestens noch drei Geschwister, die ebenfalls in der etwa 90 km nordöstlich von Posen gelegenen Kleinstadt Schubin (polnisch Szubin) geboren wurden: Rose (*1874), Max (*1876) und Walter (*1879). Die Familie gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Leo Wunsch haben sich keine Informationen erhalten. Er ergriff den Beruf des Kaufmanns.
Die Familie übersiedelte vermutlich kurz nach der Jahrhundertwende in die Reichshauptstadt. Leo Wunsch ist das erste Mal im Jahr 1906 im Berliner Adressbuch verzeichnet: Er wohnt im Haus An der Stralauer Brücke 3 und ist Mitinhaber der Weingroßhandlung, Rum-, Arrak-, Cognac-Import, Likör- und Fruchtsaftfabrik C.L. Schubert, die sich in der Wallnertheaterstraße 24 befindet. Diese Straßen existieren nicht mehr, sie befanden sich beide in der Nähe des Bahnhofs Jannowitzbrücke.
Leo Wunsch heiratete am 24. Dezember 1909 Margarete Michaelis, geb. am 15. September 1887 in Berlin. Auch sie gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Das junge Ehepaar bezog eine Wohnung am westlich des Engelbeckens gelegenen Kaiser-Franz-Grenadier-Platz 3 (heute Heinrich-Heine-Platz). Dort brachte Margarete am 24. November 1910 ein totes Mädchen zur Welt. Das Ehepaar Wunsch blieb kinderlos.
Leo Wunsch wurde nach der Hochzeit Mitinhaber der Firma seines Schwiegervaters Moritz Michaelis & Co. und war als Vertreter auswärtiger Häuser für Puppen und Puppenartikel viel auf Reisen, auch im europäischen Ausland. Die Firma befand sich zuerst in der Alten Jakobstraße 120b, seit etwa 1913 in der Ritterstraße 42-43.
Leo und Margarete Wunsch verzogen um 1915 in die Ritterstraße 4-5. Leider haben sich kaum Zeugnisse erhalten, die einen Einblick in das Leben des Ehepaars während des Ersten Weltkriegs und im Berlin der Weimarer Republik geben könnten. Leos Bruder Dr. med. Max Wunsch verstarb 1917, seine Schwester Rose, verheiratete Konicki, 1925.
Leos Einkommen als Handelsvertreter ermöglichte dem Ehepaar einen gutbürgerlichen Lebensstandard. Nach dem Tod seines Schwiegervaters im Dezember 1930 führte Leo Wunsch die Firma allein weiter.
Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Juden seit 1933 begannen auch Zwangsmaßnahmen gegen das Ehepaar Wunsch. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben.
Sicherlich hatte auch die Firma M. Michaelis & Co. unter dem zunehmenden Boykott jüdischer Geschäftsleute zu leiden, bis sie schließlich als jüdisches Unternehmen liquidiert wurde. Ende der 1930er Jahre lebte das Ehepaar Wunsch in der Mathieustraße 13 (entspricht etwa der heutigen Adresse Alexandrinenstraße 31). Diese kleine Straße existiert nicht mehr, sie verlief zwischen Alexandrinen- und Lobeckstraße, parallel zur Oranienstraße und befand sich unmittelbar hinter der St. Jacobi-Kirche. Auch Leos Bruder Walter wohnte bei ihnen.
Seit Anfang März 1940 lebte das Ehepaar in der Berliner Straße 51 in Lichterfelde-Ost als Untermieter bei Pauline Cohn. Leo und Margarete Wunsch wurden Ende Oktober 1941 in die Synagoge Levetzowstraße in Moabit verschleppt, die kurz vorher zum Sammellager umfunktioniert worden war. Vom Bahnhof Grunewald wurden sie am 24. Oktober 1941 mit dem 2. Osttransport in das Ghetto Lodz deportiert. Die Lebensbedingungen im Ghetto waren unmenschlich. Die Bewohner mussten Zwangsarbeit leisten, litten an Unterernährung, starben massenhaft an Krankheiten oder erfroren im Winter. Die engen und unzureichenden Wohnverhältnisse sowie die trostlose hygienische Situation trugen ebenfalls zur hohen Sterberate bei. Leo Wunsch überlebte dort nur ein halbes Jahr, der 64-Jährige starb am 22. April 1942. Seine Frau wurde drei Wochen später, am 14. Mai 1942, in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert und ermordet.
Leos Bruder Walter Wunsch lebte zuletzt als Untermieter in einer Wohnung in der Alexanderstraße 37 in Mitte. Er wurde am 27. Februar 1943 Opfer der „ Fabrikaktion “, bei der die bis dahin von der Deportation verschonten letzten Berliner Juden, die in kriegswichtigen Betrieben zwangsbeschäftigt waren, verhaftet und deportiert wurden. Walter Wunsch wurde am 3. März 1943 mit dem 33. Osttransport nach Auschwitz verschleppt und ermordet.
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