Marta Moser kam aus Strehlen in Schlesien, wo sie am 27. September 1899 als Marta Prinz, Tochter von Else/Elsa und Max Prinz geboren wurde. Ihr Bruder Ernst kam 1902 auf die Welt. Max Prinz war Destillateur, der Liköre herstellte und vertrieb. Kindheit und Jugend verbrachte Marta in Strehlen (heute: polnisch Strzelin). Die 30 km südöstlich von Breslau gelegene Kleinstadt zählte 1895 rund 8800 Bewohner. Die Familie Prinz gehörte zu den 98 jüdischen Einwohnern der Stadt. In Berlin heiratete Marta im Juni 1923 den 38-jährigen, aus Lima in Peru stammenden Dr. Louis V. Kläschen. Sie nahm mit der Eheschließung die peruanische Staatsbürgerschaft ihres Mannes an. Sein in Peru begonnenes Medizinstudium hatte Kläschen an der Berliner Universität fortgesetzt und abgeschlossen. Jedoch wählte er nicht eine ärztliche Laufbahn, sondern begab sich in den Dienst der peruanischen Regierung. Sie berief ihn 1923 zum Konsul in Berlin. Marta und Louis Kläschen wohnten seit 1926 in Wilmersdorf, in einem Mehrfamilienhaus in der Lauenburger Straße 23 (heute: Fechnerstaße 7). Zugleich befand sich dort das peruanische Konsulat mit Kläschens Dienstsitz. Als Kläschen 1934 starb, wurde das dortige Konsulat geschlossen. Jedoch wohnte Marta weiterhin in der Lauenburger Straße. Dorthin zog auch Martin Moser (Jg. 1895), den sie im November 1936 heiratete. Moser war selbstständiger Großhändler für Naturdärme, die für Wursthüllen und Saiten von Streichinstrumenten benötigt wurden. Unter Federführung des Reichsnährstandes hatte das NS-Regime 1936 damit begonnen, jüdischen Darmhändlern den Zugang zum Markt zu verschließen und damit ihre wirtschaftliche Existenz zu zerstören. So kam es, dass auch Martin Moser im März 1937 sein Geschäft unwiderruflich schließen musste.
Einen Monat später erging an ihn die die Aufforderung, seinen Reisepass, über den er ursprünglich wegen seiner ausländischen Handelskontakte verfügte, der Polizei auszuhändigen. Für ihn und Marta war damit eine Stufe staatlicher Drangsalierung erreicht, der sie sich nicht länger aussetzen wollten. Fluchtartig verließen sie am 30. April 1937 das Land über Italien nach Marseille (Frankreich). Wegen eines Streiks verzögerte sich jedoch die Abfahrt der „De Grasse“, des Passagierschiffes, welches sie in die Vereinigten Staaten bringen sollte. Ungewissheit und eine zunehmend prekäre finanzielle Lage prägten Martins und Martas unfreiwilligen Aufenthalt, bevor sie Europa verließen.
Mit Touristenvisa im Gepäck betraten Martin und Marta am 9. Juni 1937 in New York amerikanischen Boden. Erneut begann eine Zeit des Wartens, in der Freunde sie finanziell unterstützten, bis sie im November 1937 endlich ihre Einwanderungsunterlagen in Händen hielten. Unmittelbar darauf reisten sie nach Houston/Texas weiter, denn für Martin bestand dort die Aussicht einer Anstellung in einer Firma für Autoteile. Selbst als Martin und Marta Moser Deutschland und Europa längst verlassen hatten, ging das NS-Regime gegen sie vor: Anfang Juni 1937 verschaffte sich die Geheime Staatspolizei Zugang zur Wohnung Lauenburger Straße 23 und durchsuchte sie. Ebenfalls im Sommer 1937 machte das Finanzamt Wilmersdorf vermeintliche Steuerrückstände des 1934 verstorbenen Louis Kläschen geltend, um daraufhin Martas und Martins Hausrat und Mobiliar in einer öffentlichen Auktion versteigern zu lassen. Der »Deutsche Reichsanzeiger und Preußische Staatsanzeiger« gab am 12. Mai 1939 Martins und Martas Ausbürgerung bekannt. Grundlage der Maßnahme war das »Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit« vom 14. Juli 1933. In Martas Fall nahm dieses Vorgehen absurde Züge an, denn an Stelle der deutschen Staatsbürgerschaft besaß sie bereits seit 1923 die peruanische, die sie auch nach dem Tod ihres ersten Ehemannes nicht abgelegt hatte! Martin Moser starb am 8. April 1967 im Alter von 71 Jahren in Texas und Marta Moser starb am 24. Juni 1984 ebenfalls in Texas.
Martas Bruder Ernst (Ernest) Prinz emigrierte zusammen mit seiner Ehefrau Käte (Kate) 1939 in die USA.
Quellen
- Kläschen, Louis V.: Untersuchungen über die Riesenzellen in der Mäusemilz. Med. Diss. vom 16.12.1921 Medizinische Fakultät der Universität Berlin
- Ancestry
- Entschädigungsbehörde im Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten: Akte Marta Moser, Akte Martin Moser
- Politisches Archiv des Auswärtiges Amtes, RZ 214/99783
- Adreßbuch/Einwohnerhandbuch 1932 des Kreises Strehlen i. Schlesien https://martin-opitz-bibliothek.de/de/elektronischer-lesesaal?action=book&bookId=0432243-1932
- Walter Schnell: Erinnerungen an Strehlen und seine jüdischen Bürger, in: Strehlen, hrsg. von Fritz Moses: Erinnerungen an eine schlesische Kleinstadt und ihre jüdischen Bürger, Bremen 1995, S. 105-110.
- Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14.7.1933, in: RGBl, I. S. 480.
- Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 108 vom 12. Mai 1939. https://digi.bib.uni-mannheim.de/p…
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