Therese Sack geb. Seeliger

Verlegeort
Tucholskystraße 41
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
30. März 2013
Geboren
27. April 1900 in Berlin
Deportation
am 02. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Biografie

Therese Seeliger wurde am 27. April 1900 in Berlin geboren. Sie war die Tochter des Kaufmanns Felix Seeliger (1866–1942) und der Schneiderin Rosa Seeliger, geborene Allenstein (1877–1942). Ihr Vater stammte ursprünglich aus dem ostpreußischen Liebwalde (dem heutigen Lubochowo in Polen), das etwa 78 Kilometer südwestlich von Danzig (Gdańsk) liegt; ihre Mutter war gebürtige Berlinerin. 1897 hatten ihre Eltern geheiratet und sich in Spandau – damals noch eine eigenständige Ortschaft vor den Toren Berlins – niedergelassen.

Zu Thereses Geburt wohnte die Familie in einer Wohnung in der Breitestraße 5 in der Spandauer Altstadt. Später zogen die Seeligers in eine neue Wohnung an der Adresse Marktstraße 11, ebenfalls in der Altstadt. Therese hatte eine jüngere Schwester namens Klara, die im Oktober 1917 geboren wurde. Über das Elternhaus, die Kindheit und Jugend von Therese Seeliger in Spandau der Kaiserzeit haben sich leider keine weiteren Quellen erhalten. Ihre Eltern gehörten aber aller Wahrscheinlichkeit nach zur jüdischen Gemeinde der Stadt, zu der zum Zeitpunkt der Geburt von Therese rund 300 der etwa 70000 Einwohner zählten.

Therese absolvierte nach ihrem Schulabschluss eine kaufmännische Ausbildung und war als Kontoristin in Spandau tätig, als sie am 28. Oktober 1926 den gebürtigen Berliner Harry Blumenthal heiratete. Ihr Ehemann war als Sohn des Klempners Emil Blumenthal und dessen Frau Maria, 1900 in Berlin geboren worden. 1917 hatte er sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet und war für seinen Kriegseinsatz mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet worden. Nach Kriegsende wurde Harry Elektromonteur, trat in die SPD ein und war bis 1933 als Beleuchter in Babelsberg tätig. Im Dezember 1926 bekamen Therese und Harry in Spandau einen Sohn namens Gerd, im Januar 1928 folgte eine Tochter, der sie den Namen Eva Ruth gaben. Spätestens in den 1930er-Jahren lebten die Blumenthals getrennt voneinander; die Kinder wuchsen in Waisenhäusern auf – ob bereits seit der Trennung oder ob sie noch eine Zeit lang bei einem Elternteil lebten und erst später getrennt wurden, geht aus den Quellen nicht exakt hervor.

Mit der schrittweisen Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden seit 1933 – beziehungsweise aller Personen, die nach den Nürnberger Gesetzen im NS-Staat als Juden galten – begannen auch staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Therese Blumenthal und ihre Angehörigen. Darunter fielen zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik war Berlin zum Schauplatz antisemitischer Ausschreitungen geworden und Anfang der 1930er-Jahre hatte die sichtbare Brutalität in Form von Straßenkämpfen, Saalschlachten und SA-Aufmärschen in den Straßen massiv zugenommen. Ab 1933 institutionalisierte sich der Rassismus mit Hilfe staatlicher Autorität. Gesetze und Sondererlasse drängten Therese Blumenthal zunehmend in die Position einer Rechtlosen. Thereses Ehemann versuchte in den 1930er-Jahren nach einer Denunziation vergeblich in die Schweiz zu fliehen, kehrte nach Berlin zurück, wo ihn der Kulturbund Deutscher Juden als Technischer Leiter und Beleuchter beschäftigte. 1937/1938 übernahm er in dieser Funktion einen Posten im Hamburger Kulturbund, wo er seit 1939 vor allem für den technischen Ablauf der Filmvorführungen verantwortlich war. Im Jahr 1940 wurde die Ehe zwischen Therese und Harry Blumenthal geschieden. Therese heiratete am 25. September 1940 in Berlin-Mitte in zweiter Ehe den aus der kleinen schlesischen Ortschaft Thamm (heutiges Buczyna im Polen) stammenden Bruno Sack (*1884).

Spätestens in den 1940er-Jahren wurde das Leben für Therese und Bruno Sack in Berlin zum reinen Existenzkampf. Um nur eine der vielen einschneidenden Maßnahmen zu nennen, konnten sie sich mit der ab dem 19. September 1941 gültigen Polizeiverordnung „über die Kennzeichnung der Juden“ nur noch mit stigmatisierendem „ Judenstern “ in der Öffentlichkeit bewegen. Es ist außerdem äußerst wahrscheinlich, dass Therese Sack zu Zwangsarbeit herangezogen wurde, auch wenn sich konkrete Zeugnisse hierüber nicht erhalten haben.

Der Entrechtung folgte die Deportation : Am 1. Oktober 1941 hatte die Gestapo die Jüdische Gemeinde Berlins informiert, dass die „Umsiedlung“ ihrer Mitglieder beginnen würde. Im Juni 1942 verstarb Thereses Vater in Berlin. Laut der Todesanzeige meldete die „Arbeiterin Therese Sack“ den Todesfall. Nach den Angaben verstarb der 76-jährige Felix Seeliger am 28. Juni 1942 an „Herzschwäche“ in der Großen Hamburger Straße 26. Danach wäre er in einer Sammelstelle, also unmittelbar vor der bevorstehenden Deportation gestorben oder durch Misshandlungen getötet worden. Die verwitwete Mutter von Therese erhielt den Deportationsbescheid im Sommer 1942. Sie wurde am 13. Juli 1942 aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort aus am 19. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt, wo sie ermordet wurde. Therese lebte mit ihrem Mann noch bis Anfang 1943 in Berlin, zuletzt in der Artilleriestraße 5 (der heutigen Tucholskystraße) in Mitte zur Untermiete bei Heliasowicz.

Therese und Bruno Sack wurden im Rahmen der „Fabrik-Aktion“, bei der die letzten offiziell in der Hauptstadt verbliebenen Jüdinnen und Juden deportiert werden sollten, Ende Februar 1943 von der Gestapo verhaftet und in eines der für diese Zwecke provisorisch hergerichteten Sammellager verschleppt. Von dort aus wurden sie am 2. März 1943 mit dem „32. Osttransport“ in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort – vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft – ermordet. Therese Sack war zum Zeitpunkt der Deportation 42 Jahre alt.

Thereses Schwester Klara wurde am 12. März 1943 zusammen mit ihrem Ehemann Hans aus Berlin nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Hans, der zwischen April und Juli 1937 im Konzentrationslager Dachau interniert gewesen war, wurde zunächst in das Lager selektiert, überlebte aber nur wenige Tage, bevor er am 29. März 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Thereses Ex-Ehemann Harry Blumenthal wurde mit seiner zweiten Ehefrau Rosa, geborene Müller, (*1913) und seinem einjährigen Sohn Berl (*1941) am 23. Juni 1943 aus Hamburg in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort aus wurden sie am 28. September 1944 weiter nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Thereses Sohn Gerd war in den 1930er-Jahren im Reichenheim'schen Waisenhaus in Berlin-Mitte gemeldet, 1939 in der Bötzowstraße in Prenzlauer Berg und zuletzt in einem Jugendwohnheim in der Wilsnacker Straße 3 in Moabit. Er wurde am 28. März 1942 – im Alter von fünfzehn Jahren – aus Berlin über Trawniki in das Ghetto Piaski deportiert, wo er entweder unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurde oder zu einem späteren Zeitpunkt in einem der Vernichtungslager. Er gehörte in jedem Fall nicht zu den wenigen Überlebenden. Thereses Tochter Eva Ruth lebte ebenfalls im Reichenheim'schen Waisenhaus, kam von dort ins Auerbach'sche Waisenhaus in Prenzlauer Berg und konnte Ende der 1930er-Jahre mit einem Kindertransport nach England gerettet werden. Sie überlebte die NS-Verfolgung im Exil.