Sara Keller geb. Kalb

Verlegeort
Rückerstraße 6
Bezirk/Ortsteil
Mitte
Verlegedatum
23. September 2016
Geboren
12. Dezember 1892 in Polany, Südkarpaten
Verhaftet
in Drancy
Deportation
am 04. November 1942 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Biografie
Leib Keller wurde am 10. November 1896 in Iwla, einem Dorf in den Südkarpaten, als erstes? zweites? Kind einer deutschsprachigen Familie geboren; seine Frau Sala Kalb kam vier Jahre früher, am 12. Dezember 1892, im beschaulichen Polany, einem Fischerort unweit von Iwla zur Welt. Wie sie sich kennengelernt haben ist nicht überliefert. Nach der Eheschließung wohnten sie in Tracheneberg (Zmigrod), Niederschlesien. In der aufstrebenden Industriestadt mit wichtigen Eisenbahnanschlüssen war Leib in der Textilbranche tätig. 1925 wurde Sohn Henri geboren, 1927 kam Joseph zur Welt. Am Ende des gleichen Jahres zogen sie nach Berlin, wo sie in der Rückerstraße 6 im Scheunenviertel eine Wohnung fanden. Leib war in einer Mantelfabrik tätig, die Kinder kamen in die Schule, zu Hause wurde Deutsch gesprochen.

Leib und Sala Keller erkannten, dass die politischen Ereignisse 1933 für sie nichts gutes verhießen und zogen nach Antwerpen, wo Leib im Tuchhandel tätig war. Zwei Jahre später zogen sie über Triest nach Mailand, ebenfalls eine Textilstadt, 1939 weiter nach Nizza. Dank eines Onkels in der Schweiz beantragten sie eine Einreise- sowie eine Aufenthaltsgenehmigung für Basel. Der positive Bescheid war aktenkundig. Mit dieser Gewissheit verließen sie am 24. September 1942 Nizza und machten sich auf den Weg in die Haute Savoie mit dem Ziel, dort legal in die Schweiz einzureisen.

Im Zug, oder beim Verlassen des Zuges in Machilly wurden sie von den Gendarmen kontrolliert, festgenommen und in die Gendarmerie-Kaserne von Annemasse gebracht, wo sie 24 Stunden ohne Essen und Trinken in einer Zelle verharrten um am 26. September nach Rivesaltes gebracht zu werden.

Es ist die Zeit der von der Vichy-Regierung angeordneten Razzien und einer Gesetzesänderung: Bislang wurde an der Grenze in der Nähe von Genf eine relativ großzügige Handhabe der Ausreisebedingungen praktiziert, aber am 26. September werden neue Bestimmungen verkündet, die erst am 28. September in Kraft treten sollen. Nur noch Rentner, Familien mit Kinder unter 16 Jahren und unbegleiteten Kinder unter 16 dürfen einreisen. Henri ist am Stichtag zwar schon 17, Joseph aber erst 14. Von diesen Bestimmungen weiß die Familie nichts.

In Handschellen und jeweils zu Zweit zusammengekettet wird die Familie am 26. September nach Rivesaltes gebracht. In einem günstigen Augenblick ruft Leib Keller seinen Söhnen zu, dass sie fliehen sollen. Sie zögern nicht. Anwohner verhindern deren Verfolgung. Die Jugendliche verstecken sich hinter Bäumen in einem Feld, verbringen dort die Nacht und klopfen am nächsten Morgen an der Tür eines Bauernhofs. Sie lassen sich den Weg zur Grenze zeigen; sie liegt nur 150m. vom Bauernhof entfernt. In der Nähe von Ammenasse, im strömenden Regen und nur knapp der Kontrolle durch einem französischem Zöllner entkommen, passieren sie die Grenze. Ihre Flucht, die verfrühte Anwendung der neuen Ausreisebestimmungen und die offenkundige Feindschaft der Bevölkerung den Gendarmen gegenüber führen innerhalb der Gendarmerie zu Unruhe und Untersuchungen.

Für Leib und Sala Keller bleibt die öffentliche Kritik ohne Folgen. Sie werden nach Drancy gebracht und von dort mit dem 42. Transport nach Auschwitz . Sala wird am Ankunftstag, dem 6. November 1942 ermordet. Leib Keller hat noch 1943 eine Postkarte an seine Eltern schicken können. Sein Todestag wird von Yad Vashem auf dem 8. Mai 1945 festgelegt, sechs Wochen nach der Befreiung von Auschwitz.

Henri und Joseph, die nur eine Briefmarkensammlung bei sich trugen, als sie in die Schweiz gelangten, wurden nach einem kurzen Aufenthalt im Lager Moudon bei Payerne in Kinderheimen bzw. Arbeitslager und Ausbildungsstätten untergebracht. Ihr Onkel in Basel kümmerte sich um sie.
Joseph verließ die Schweiz am 10. Dezember 1945, Henri am 22. September 1947 nach Abschluss seiner Ausbildung als Radiotechniker. Beide blieben in Frankreich.

Quellen zur Festnahme der Familie, Flucht und Verbleib der Söhne:

Archives Fédérales Suisses
Gendarmerie Nationale Francaise
überliefert durch Ruth Fifaz-Silbermann, Universität Genf
Biografie
Leib Keller wurde am 10. November 1896 in Iwla, einem Dorf in den Südkarpaten, als erstes? zweites? Kind einer deutschsprachigen Familie geboren; seine Frau Sala Kalb kam vier Jahre früher, am 12. Dezember 1892, im beschaulichen Polany, einem Fischerort unweit von Iwla zur Welt. Wie sie sich kennengelernt haben ist nicht überliefert. Nach der Eheschließung wohnten sie in Tracheneberg (Zmigrod), Niederschlesien. In der aufstrebenden Industriestadt mit wichtigen Eisenbahnanschlüssen war Leib in der Textilbranche tätig. 1925 wurde Sohn Henri geboren, 1927 kam Joseph zur Welt. Am Ende des gleichen Jahres zogen sie nach Berlin, wo sie in der Rückerstraße 6 im Scheunenviertel eine Wohnung fanden. Leib war in einer Mantelfabrik tätig, die Kinder kamen in die Schule, zu Hause wurde Deutsch gesprochen.

Leib und Sala Keller erkannten, dass die politischen Ereignisse 1933 für sie nichts gutes verhießen und zogen nach Antwerpen, wo Leib im Tuchhandel tätig war. Zwei Jahre später zogen sie über Triest nach Mailand, ebenfalls eine Textilstadt, 1939 weiter nach Nizza. Dank eines Onkels in der Schweiz beantragten sie eine Einreise- sowie eine Aufenthaltsgenehmigung für Basel. Der positive Bescheid war aktenkundig. Mit dieser Gewissheit verließen sie am 24. September 1942 Nizza und machten sich auf den Weg in die Haute Savoie mit dem Ziel, dort legal in die Schweiz einzureisen.

Im Zug, oder beim Verlassen des Zuges in Machilly wurden sie von den Gendarmen kontrolliert, festgenommen und in die Gendarmerie-Kaserne von Annemasse gebracht, wo sie 24 Stunden ohne Essen und Trinken in einer Zelle verharrten um am 26. September nach Rivesaltes gebracht zu werden.

Es ist die Zeit der von der Vichy-Regierung angeordneten Razzien und einer Gesetzesänderung: Bislang wurde an der Grenze in der Nähe von Genf eine relativ großzügige Handhabe der Ausreisebedingungen praktiziert, aber am 26. September werden neue Bestimmungen verkündet, die erst am 28. September in Kraft treten sollen. Nur noch Rentner, Familien mit Kinder unter 16 Jahren und unbegleiteten Kinder unter 16 dürfen einreisen. Henri ist am Stichtag zwar schon 17, Joseph aber erst 14. Von diesen Bestimmungen weiß die Familie nichts.

In Handschellen und jeweils zu Zweit zusammengekettet wird die Familie am 26. September nach Rivesaltes gebracht. In einem günstigen Augenblick ruft Leib Keller seinen Söhnen zu, dass sie fliehen sollen. Sie zögern nicht. Anwohner verhindern deren Verfolgung. Die Jugendliche verstecken sich hinter Bäumen in einem Feld, verbringen dort die Nacht und klopfen am nächsten Morgen an der Tür eines Bauernhofs. Sie lassen sich den Weg zur Grenze zeigen; sie liegt nur 150m. vom Bauernhof entfernt. In der Nähe von Ammenasse, im strömenden Regen und nur knapp der Kontrolle durch einem französischem Zöllner entkommen, passieren sie die Grenze. Ihre Flucht, die verfrühte Anwendung der neuen Ausreisebestimmungen und die offenkundige Feindschaft der Bevölkerung den Gendarmen gegenüber führen innerhalb der Gendarmerie zu Unruhe und Untersuchungen.

Für Leib und Sala Keller bleibt die öffentliche Kritik ohne Folgen. Sie werden nach Drancy gebracht und von dort mit dem 42. Transport nach Auschwitz . Sala wird am Ankunftstag, dem 6. November 1942 ermordet. Leib Keller hat noch 1943 eine Postkarte an seine Eltern schicken können. Sein Todestag wird von Yad Vashem auf dem 8. Mai 1945 festgelegt, sechs Wochen nach der Befreiung von Auschwitz.

Henri und Joseph, die nur eine Briefmarkensammlung bei sich trugen, als sie in die Schweiz gelangten, wurden nach einem kurzen Aufenthalt im Lager Moudon bei Payerne in Kinderheimen bzw. Arbeitslager und Ausbildungsstätten untergebracht. Ihr Onkel in Basel kümmerte sich um sie.
Joseph verließ die Schweiz am 10. Dezember 1945, Henri am 22. September 1947 nach Abschluss seiner Ausbildung als Radiotechniker. Beide blieben in Frankreich.

Quellen zur Festnahme der Familie, Flucht und Verbleib der Söhne:

Archives Fédérales Suisses
Gendarmerie Nationale Francaise
überliefert durch Ruth Fifaz-Silbermann, Universität Genf