Rudolf David Mayer wird am 11. September 1883 in Kassel geboren. Seine Mutter, Helene Schloss, aus Tauberbischofsheim in Franken stirbt schon früh mit 37 Jahren, so dass Rudolfs Vater Louis (Ludwig) Mayer noch einmal heiratet, um nicht mit Rudolf und dessen Brüder Arthur und Willi alleine zu sein. Louis Mayer, geboren in Oberwesel am Rhein, handelt wahrscheinlich mit Wein und Likör und hat eine Weinhandlung in Kassel, die Willi, Rudolfs Bruder, später übernimmt.
Rudolf besucht nach der achtjährigen Volksschule das sogenannte „Realgymnasium“, auf dem er das „Einjährige“ ablegt, eine alte Bezeichnung für die mittlere Reife. Anschließend ist er zunächst Vertreter für verschiedene Geschäfte, bis er in die Firma eines fernen Verwandten in Frankfurt / Main eintritt, in das „Export- und Kommissionsgeschäft“ von Leo Salomon Mayer. Womit er exportiert, bleibt unklar, klar ist nur, L. S. Mayer hat Vorfahren in London und eine Dependance in Berlin – Kreuzberg in der Ritterstraße. Dorthin, nach Berlin, geht Rudolf Mayer höchstwahrscheinlich um 1913 herum und nennt sich bald auch „Direktor“, als der Inhaber Leo Salomon Mayer, stirbt. Ab 1914 wird Louis Oppenheimer Geschäftsführer dieser Firma in Frankfurt/ Main; Louis ist einer der Onkel von Rudolfs späteren Frau Thekla.
Im Jahr 1914 zieht Rudolf wie 100.000 andere fürs Vaterland begeisterte Juden in den Krieg, verliert jedoch ein Auge, und wird deshalb, so berichtet seine Frau, frühzeitig entlassen.
Rudolf wird wahrscheinlich 1923 Mit-Teilhaber einer anderen Firma in Berlin, der „Hans Gost & Co, Leisten- und Bilderrahmenfabrik“, auch in Kreuzberg in der Alexandrinenstraße in den „Sandmannhöfen“. Er wird mit einem Kapitalanteil von 52. 000 Reichsmark in das Handelsregister eingetragen, neben seinen zwei anderen jüdischen Teilhabern Gustav Levy und Hans Zirker. Diese drei finanzieren die deutsch- christliche Firma. Rudolf Mayer erhält ein monatliches Gehalt von 1.250 Reichsmark, was eine stattliche Summe ist, so dass er nun als „Direktor“ und „Kaufmann“ eine Familie gründen will. Einige der Oppenheimers aus der Frankfurter Firma L. S. Mayer leben bereits in Berlin, im Bayerischen Viertel, und so lernt Rudolf Thekla Stern, kennen, die Nichte der Oppenheimers.
Am 18. Juni 1926 heiratet der 43 -jährige Rudolf Mayer die 24- jährige Thekla Stern in ihrem Geburtsort Balduinstein im Rhein-Main- Gebiet, und sie beziehen 1927 eine 5- Zimmer- Wohnung in der Bozener Straße 10 im 2. Stock. Rudolf ist nun gut situiert. Es werden die beiden Kinder geboren: am 8. April 1927 der Sohn Curt Siegbert und am 30. Juli 1929 die Tochter Ruth Betty Helene. Curt besucht die Volksschule in der Babelsberger Straße für kurze Zeit, bis er auf die private jüdische Schule von Luise Zickel in der Kufsteiner Straße wechselt; Ruth besucht die Volksschule nur kurz.
Da die Firma „Hans Gost & Co“ keine jüdische Firma ist, hat Rudolf auch zunächst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 nicht zu befürchten, brotlos zu werden wie viele jüdische Geschäftsinhaber, von denen schon 1935 ein Viertel ihre Betriebe aufgeben müssen. Im Gegenteil: Dadurch, dass die „arischen“ Betriebe im Sinne des „Arierparagraphen“ gemäß dem Gesetz vom April 1933 wegen der jüdischen Geschäftsaufgaben profitieren, fühlt sich Rudolf Mayer auch nicht finanziell gefährdet, obwohl der antijüdische Terror allgegenwärtig ist.
Das ändert sich jedoch im Jahr 1938, als mit der „Verordnung über die Anmeldepflicht jüdischen Vermögens“ vom 26. April 1938 deutlich wird, dass Rudolf Mayer mit 52.000 Reichsmark die Firma Hans Gost, in der Rudolf Mitinhaber ist, finanziert; das ist mehr als ein Viertel des Gesamtvermögens dieser Firma. Deshalb wird Rudolf Mayer im Juni 1938 als Mitinhaber der Firma entlassen, die Prokura wird ihm entzogen.
In der Kristallnacht von 9. auf den 10. November 1938 ist Rudolf Mayer einer der 12 000 Berliner Juden, die in das Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg verschleppt werden. Bis zum 26. November 1938 muss er dortbleiben und sich anschließend schriftlich verpflichten, Deutschland so schnell wie möglich zu verlasen. Die nach der Kristallnacht erlassenen nationalsozialistischen Gesetze mit dem Ziel, den deutschen Juden jegliche Wirtschaftstätigkeit zu verbieten und ihnen ihr Vermögen zu rauben, machen nun auch Rudolf Mayer klar, dass seine Familie Deutschland verlassen muss, zumal dies ja die Voraussetzung für seine Entlassung aus dem Konzentrationslager war.
Es ist erstaunlich, dass erst jetzt Rudolf Pässe für sich und seine Familie anfordert, denn die Onkel seiner Frau Thekla sind schon seit 1935 in den USA; jedoch auch Rudolfs Bruder Willi geht erst Mitte 1940 ins Exil. Rudolf muss, wie alle Juden, die legal Deutschland verlassen, sowohl die „Reichsfluchtsteuer“ zahlen als auch hohe Summen als sein Eigenanteil an der sogenannten „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark entrichten, die die Nationalsozialisten den deutschen Juden für die Zerstörungen in der Kristallnacht verordnet haben.
Die Mayers betreten also nicht mehr sehr begütert, aus Holland kommend, am 9. Mai 1939 den englischen Boden in Harwich. Zunächst wohnen sie in Wembley, doch wird die Familie schon 1940 getrennt. Als „feindliche Ausländer“ von den Briten bezeichnet, wird Rudolf in ein Internierungslager für elf Monate gebracht, seine Frau Thekla und die Kinder Curt und Ruth in ein anderes. Danach arbeitet Rudolf in Heimarbeit, macht sich kurze Zeit mit einem anderen Deutschen selbständig und stellt Plastikarmbänder und Puderquasten her, während seine Frau Thekla für eine Firma Federhüte zusammenstellt. Zwar gehen die Kinder in verschiedenen Schulen, aber auch das erweist sich bald als schwierig, da die finanzielle Situation der Familie sehr schlecht ist.
Im Jahr 1948 wird Rudolf schwer krank und stirbt am 27. Januar 1949 in London.
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