Rudolf Rocker

Location 
Buschkrugallee 246
Historical name
Rudower Allee 46
District
Britz
Stone was laid
12 July 2024
Born
25 March 1873 in Mainz
Occupation
Anarchosyndikalist, Buchbinder
Escape
1933 USA
Survived
Biography

Rudolf Rocker stammte aus einer Mainzer Arbeiterfamilie. Nach dem frühen Tod beider Eltern musste er seine Kindheit in einem katholischen Waisenhaus verbringen und erlernte im Anschluss an die Schulzeit das Buchbinder-Handwerk. Schon als Jugendlicher wandte er sich der sozialistischen Bewegung zu, war aber bald tief enttäuscht über das vollständige Fehlen eines libertären Konzepts in der deutschen Sozialdemokratie. Er empfand die Partei als dogmatisch, engstirnig und intolerant gegenüber abweichenden Meinungen.. 1891 kam Rocker mit anarchistischen Anschauungen in Berührung, die ihn stark beeindruckten. Als Handwerksbursche durchwanderte er Europa und nahm überall Kontakt zu anarchistischen Kreisen auf. Sehr bald wurde die Polizei auf seine anarchistischen Aktivitäten aufmerksam. Von 1893 bis Anfang 1895 lebte er als politischer Flüchtling in Paris und ging von dort nach London. Hier begann ein außergewöhnlicher Abschnitt seines Lebens. Der Nicht-Jude Rocker lebte unter den armen Ostjuden von Whitechapel, lernte ihre jiddische Sprache und gewann als einer der Herausgeber des jiddischsprachigen Arbeiterfreund (1898-1914) und des ebenfalls in Jiddisch erscheinenden Monatsblattes Germinal starken Einfluss auf die anarchosyndikalistischen jüdischen Gewerkschaften in England. Die Mitherausgeberin Milly Witkop wurde seine Lebensgefährtin, die 1907 den gemeinsamen Sohn Fermin zur Welt brachte.  Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Rocker interniert. 1919 kehrte er nach Deutschland zurück und trieb dort den Aufbau der anarchosyndikalistischen Bewegung voran. Die von ihm verfasste Prinzipienerklärung des Syndikalismus galt als programmatische Grundsatzerklärung der Freien Arbeiter Union Deutschlands (FAUD). Obwohl Rocker sich sehr um die Verschmelzung der anarchistischen Weltanschauung mit der praktischen Organisationsform des syndikalistischen Gewerkschaftskonzepts bemühte, wurde die FAUD nach einer kurzen Zeit des Aufschwungs am Anfang der 1920iger Jahre immer bedeutungsloser.

Ende 1922 wurde Rocker neben Alexander Schapiro und Augustin Souchy zum Sekretär „der Syndikalistischen Internationale“ gewählt, die insgesamt mehr als eine Million Mitglieder vertrat. Bis Anfang 1933 war ihr Sitz in Berlin, dann, nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten, in Amsterdam. 1939 musste sie ihr Büro nach Stockholm verlegen.

Rocker hat zahlreiche Schriften verfasst, von denen hier nur zwei erwähnt werden sollen:

Der Bankrott des russischen Staatskommunismus von 1921 kritisiert die Machtstruktur, die auf eine Diktatur einer Handvoll Männer hinauslaufe und jegliche Freiheit zerstöre.

Seine umfangreiche Biographie des deutsch-amerikanischen Anarchisten Johann Most schließlich zählt zu den wichtigsten monographischen Beiträgen zur Geschichte der anarchistischen Bewegung.

Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus floh Rocker über verschiedene Länder in die USA. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Milly Witkop zog er 1937 aus New York in die anarchistisch ausgerichtete Mohegan-Kommune am Ufer des Lake Mohegan in Crompond, in der er bis zu seinem Tode 1958 lebte. 1937 erschien sein großes, im Wesentlichen noch vor seiner Flucht aus Deutschland in Britz verfasstes Werk Die Entscheidung des Abendlandes

Es enthält eine umfassende Kritik an Staaten und dem auf ihnen gründenden Nationalismus. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Rocker zunehmend an Einfluss unter den Anarchisten. Seine Vorschläge reduzierten sich auf das Alltagsleben und wandte sich gegen den Messiasglauben an die revolutionäre Tat und ihre Folgeerscheinungen. Rockers Thesen wurden als Abkehr von der sozialistischen Arbeiterbewegung, als unvereinbar mit dem Anarchismus in Theorie und Praxis abgelehnt. 

Im Alter von 85 Jahren ist Rudolf Rocker in den USA verstorben.