Elsa Helene Breslauer geb. Wiener

Verlegeort
Carmerstr. 5
Bezirk/Ortsteil
Charlottenburg
Verlegedatum
23. März 2023
Geboren
13. Mai 1878 in Barmen (Wuppertal)
Deportation
am 06. März 1943 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Biografie

Elsa Helene Breslauer kam am 13. Mai 1878 als Elsa Helene Wiener in Barmen (heute ein Stadtteil von Wuppertal, Nordrhein-Westfalen) zur Welt. Ihr Vater, der Kaufmann Julius Wiener (geboren 1850), war bei ihrer Geburt 28 Jahre alt und ihre Mutter Julie Gertrud geborene Spiecker (geboren am 8. Januar 1855) 23 Jahre alt. Als Elsa fast drei Jahre alt war, bekam sie noch in Barmen eine kleine Schwester, Elfriede Julia, die am 22. Januar 1881 geboren wurde. Wann die kleine Familie nach Berlin ging, ist nicht bekannt.

Julius Wiener gründete 1894 in der Oranienburger Straße 30 in Berlin eine Maschinen- und Werkzeugfabrik für Blechbearbeitung. 1896 zog er mit der Fabrik in die Alexanderstraße 26 und später in die Fruchtstraße 36 (heute: Straße der Pariser Kommune) in Berlin-Friedrichshain.

Über Elsas Kindheit und Jugend konnte nichts recherchiert werden. Wie damals üblich, erlernte sie keinen Beruf. Ostern 1902 gaben sich Julius und Julia Wiener die Ehre, die Verlobung ihrer Tochter Elsa mit William Müller bekannt zu geben. Damals wohnte die Familie Wiener in der Ritterstraße 61 in Berlin-Kreuzberg. 

Mit 24 Jahren heiratete Elsa am 28. Juni 1902 den 33-jährigen Kaufmann William Müller (geboren am 14. März 1869 in Berlinchen, Kreis Sodin). Ein Jahr später, am 8. Mai 1903, wurde ihre Tochter Charlotte und am 25. Juli 1904 ihr Sohn Herbert Wolfgang in Berlin geboren.

Elsas Schwester Elfriede widmete sich der Malerei. Sie war Schülerin von Otto Eckmann und Lovis Corinth. Am 8. April 1907 heiratete sie mit 26 Jahren Leopold Veit Sonnemann, Leiter des Berliner Büros der Frankfurter Zeitung, die ein Verwandter von ihm gegründet hatte. 1908 wurde ihre Tochter Ruth Bettina und 1912 ihr Sohn Ulrich in Berlin-Charlottenburg in der Kantstraße 86 geboren. Elsa lebte damals mit ihrer Familie ganz in der Nähe in der Niebuhrstraße 45.  

Nachdem Elsas Ehemann William Müller 1918 aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war, arbeitete er bei seinem Schwiegervater und übernahm die Fabrik Anfang der zwanziger Jahre, als Julius Wiener in den Ruhestand ging. Fortan hieß die Fabrik: Julius Wiener Nachfolger William Müller Fabrik für Verschlussmaschinen und Konservendosen.

Elsas Neffe Prof. Dr. phil. Ulrich Sonnemann erinnerte sich in seiner Autobiographie, dass seine Familie 1913 nach Berlin-Schöneberg zog, wo er eingeschult wurde und man ihn „unter dem Einfluss seiner Großmutter mütterlicherseits einer überaus vorurteilslosen, aber auch sehr evangelischen Gutsbesitzertochter vom Niederrhein am evangelischen Religionsunterricht anmeldete, obwohl seine Eltern der jüdischen Religion angehörten.“

Elfriedes Familie wohnte in Berlin-Schöneberg zusammen mit den Eltern in der Salzburger Straße 11. Am 19. April 1924 starb Julius Wiener mit 74 Jahren nach einem „Leben voller Arbeit und Aufopferung“, wie es in der Todesanzeige hieß. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt. 

Am 16. Mai 1931 heiratete Elsas Tochter Charlotte mit 28 Jahren den Ingenieur Martin Fürst (geboren am 2. September 1899 in Berlin). Vier Jahre später, am 13. Juli 1935, wurde ihre einzige Tochter Evelyn Susanne geboren. Elsa wurde mit 57 Jahren Großmutter. 

Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 starb William Müller am 22. Juli 1933 an Darmkrebs. Elsa wurde mit 55 Jahren Witwe. Ihr Sohn Herbert und ihr Schwiegersohn Martin übernahmen vom Vater die Fabrik für Verschlussmaschinen und Konservendosen in der Fruchtstraße 36. Noch im selben Jahr zogen Elsa und ihr Sohn Herbert ins Vorderhaus der Carmerstraße 5 in eine 3-Zimmer-Hochparterrewohnung. Die Familie ihrer Tochter Charlotte wohnte nicht weit entfernt in der Mommsenstraße 65. 

Im Rahmen der " Arisierung " mussten Herbert und Martin die Fabrik 1938 verkaufen. Der Familie ihrer Tochter Charlotte gelang am 17. Februar 1939 die Auswanderung nach Australien. Auch ihr Sohn Herbert erkannte die Gefahren für Juden im Deutschen Reich noch rechtzeitig und suchte nach Wegen auszuwandern, konnte jedoch kein Visum erhalten. Er reiste mit seinen Habseligkeiten am 21. Mai 1939 nach Großbritannien, wo er im Kitchener Camp, einem Auffanglager für Auswanderer, einen Platz durch die Reichsvertretung der deutschen Juden zugewiesen bekommen hatte.

Elsas Schwester Elfriede und deren Familie waren schon Anfang 1939 nach Brüssel in Belgien geflüchtet. In dieser Zeit muss auch ihre Mutter Julia Wiener in ihre nordrheinwestfälische Heimat nach Hilden zurückgekehrt sein.

Elsa blieb alleine zurück. Die ehemalige Freundin ihres Sohnes, Rita Klein, besuchte sie gelegentlich. Wann und wo Elsa Alfred Breslauer kennenlernte, ist nicht bekannt. Seit Dezember 1920 war Alfred in zweiter Ehe mit Ella Flora Wallenberg verheiratet gewesen. Diese Ehe wurde am 14. Mai 1941 rechtskräftig geschieden.

Ab September 1941 wurde Elsa, wie alle Jüdinnen und Juden im Deutschen Reich, gezwungen, den gelben Stern zu tragen. Am 7. Februar 1942 heiratete sie den 64-jährigen Alfred Breslauer, der höchstwahrscheinlich schon seit 1941 bei ihr in die Carmerstraße 5 wohnte. Alfred war zur Zwangsarbeit verpflichtet und leistete diese für 25 RM wöchentlich in Spandau bei der Firma Dudek. Es ist anzunehmen, dass er im Rahmen der Fabrikaktion am 27. Februar 1943 bei der Zwangsarbeit von der Gestapo festgesetzt wurde.

Am 4. März 1943 wurden er und Elsa aufgefordert, eine Vermögenserklärung auszufüllen und zu unterschreiben. Elsa gab in der Erklärung an, dass sie Geltungsjüdin sei, aber diese Angabe schützte sie nicht vor der Deportation . Der Begriff Geltungsjude wurde von den Nationalsozialisten für Personen genutzt, die neben jüdischen Großelternteilen mindestens einen arischen Großelternteil vorweisen konnten, was auf Elsa zutraf, da ihre Mutter arische Eltern hatte. 

Vermögen hatten beide nicht mehr zu deklarieren. Mit dem 35. Osttransport wurden Alfred und Elsa Breslauer am 6. März 1943 von der Gestapo nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Alfred und Elsa Breslauer geborene Wiener verwitwete Müller mussten aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien mit jeweils 65 Jahren sterben.

Die Verlegung der Stolpersteine für Elsa Breslauer und Alfred Breslauer in der Carmerstraße 5 wurde durch David Mullard, dem Enkel von Elsa Breslauer aus Kanada initiiert.