Gustav Löwenthal

Verlegeort
Knausstraße 9
Bezirk/Ortsteil
Friedenau
Verlegedatum
21. Mai 2022
Geboren
03. Mai 1865 in Riesenberg/Rosenberg/Westpreußen
Beruf
Versicherungsinspektor
Deportation
am 28. Januar 1943 nach Theresienstadt
Ermordet
20. März 1943 in Theresienstadt
Biografie

Gustav Löwenthal kam am 3. Mai 1865 in Riesenberg/Rosenberg/Westpreußen als Sohn des Handelsmannes Heymann Löwenthal und seiner Frau Lina geborene Freymann zur Welt. Er zog nach Kiel und heiratete 1896 in Hamburg Therese Josephsohn. Er war damals Commis, das Paar lebte zunächst in Kiel. Dort kam die Tochter Lilly am 23. Dezember 1897 auf die Welt. Dann zog die Familie nach Berlin, der Sohn Paul wurde am 18. Januar 1899 geboren. Die Familie lebte in der Marsiliusstraße 1 und Gustav war als Versicherungsinspektor tätig. Am 10. Juli 1910 kam schließlich die Tochter Eva Erna auf die Welt.

Der Sohn Paul heiratete 1929 Judith Rosenthal, die am 7. Juni 1907 in Berlin geboren war. Paul war damals Reklamefachmann, sie lebten 1931 in der Mathieustraße 14 in Französisch-Buchholz und bis 1933 in der Bayreuther Straße 43 in einer 3 Zimmer Wohnung.

Die Tochter Eva wurde Journalistin, der Beruf ihrer Schwester Lilly ist unbekannt. Beide Schwestern blieben ledig und wohnten weiter bei den Eltern. Um 1934 zog die Familie nach Schöneberg in die Knausstraße 9 Gartenhaus I rechts. Es handelte sich um eine 3-Zimmer-Wohnung mit Ofenheizung.

1933 emigrierte der Sohn Paul mit seiner Frau Judith nach Paris und baute sich dort eine Existenz auf.

Im Herbst 1942 wurden Therese und Gustav Löwenthal gezwungen in das jüdische Altersheim Gerlachstraße 19-21 zu ziehen. Dort starb Therese Löwenthal am 17. Januar 1943, als Todesursache wurde Lungenembolie und Herzmuskellähmung angegeben. Gustav Löwenthal wurde am 26. Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert wo er am 20. März 1943 ermordet wurde.

Die Tochter Lilly hatte bis Dezember 1942 in der elterlichen Wohnung gewohnt, danach lebte sie illegal im Untergrund. Sie besaß nicht die vorgeschriebene Kennkarte und wurde im Sommer 1944 verhaftet und in der Schulstraße 78 interniert. Dort musste sie am 22. August 1944 die Vermögenserklärung ausfüllen, sie besaß nichts mehr. Sie gab an, Arbeiterin zu sein. Am 6. September 1944 wurde sie nach Auschwitz deportiert und zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet.

Ihre Schwester Eva war Journalistin geworden und war mit Brunhilde Pomsel (1911-2017) befreundet, die von 1942 bis 1945 als Sekretärin von Propagandaminister Dr. Goebbels arbeitete. Brunhilde Pomsel gab später an, nichts von Judenverfolgungen gewusst zu haben.  Über sie gab es eine Fernsehdokumentation mit einem Interview unter dem Titel "Ein deutsches Leben". Dazu ist 2017 ein Buch von Theodore D. Hansen unter demselben Titel erschienen. Darin erwähnt Brunhilde Pomsel, dass sie 1942 Eva  in Berlin in der Knausstr. 9 besuchte und sie in ärmlichen Verhältnissen vorfand. 

Eva lebte wie ihre Schwester Lilly bis 31. Dezember 1942 in der elterlichen Wohnung, danach illegal. Seit dem 3. September 1943 befand sie sich in Haft. Von ihr liegen zwei Vermögenserklärungen vor: eine mit Datum 4. September 1943, die zweite mit Datum 28. Oktober 1943. Da so gut wie keine Unterschiede zwischen den beiden Erklärungen bestehen handelt es sich vermutlich um eine Durchschrift, auf die ein späteres Datum gesetzt wurde. Der Bescheid über die Beschlagnahme ihres Vermögens wurde Eva am 7. September 1943 noch in der Sammelstelle Große Hamburger Straße zugestellt.

Eva wurde am 10. September 1943 nach Auschwitz deportiert und vermutlich im Januar 1945 ermordet.

Der Sohn Paul emigrierte im Juli 1933 mit seiner Frau Judith nach Paris/Frankreich. Es gelang Paul innerhalb der ersten beiden Jahre sich eine berufliche Existenz aufzubauen. Das Paar lebte ab 1934/35 in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Rue de Passy 20. Nach dem Einmarsch der Deutschen Truppen in Frankreich galten beide als feindliche Ausländer und wurden im Mai 1940 in Paris interniert, dann im Camp de Gurs. Judith Löwenthal wurde am 21. Juni 1940 daraus befreit. Sie lebte danach versteckt in Caussade Tarn et Garonne. Dann wurde sie erneut verhaftet und wieder im Camp de Gurs interniert. Ab 7. Januar 1942 waren dort beide im Camp de Gurs interniert. Judith Löwenthal unternahm einen Fluchtversuch aus dem Camp de Gurs, wurde verhaftet und erhielt eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten, die sie in Pau Barness Pyrenées verbüßte. Am 16. September 1943 wurde sie ins Camp de Brens gebracht und von dort in die Entbindungsanstalt des Schweizer Roten Kreuzes in Elne, wo der Sohn Claude Franck am 23. März 1944 zur Welt kam. Von da an wurde Judith Löwenthal mit ihrem Sohn von den Schweizer Rotkreuz Schwestern im Inneren Frankreichs versteckt gehalten. Bis 1946 lebten sie von der Unterstützung mitleidiger Menschen. Ihr Mann Paul blieb im Camp de Gurs und wurde von dort am 15. April 1944 deportiert, vermutlich nach Kowno/Reval, wo er am 20. Mai 1944 ermordet wurde.

Seine Frau Judith gelangte 1946 mit ihrem 2-jährigen Sohn Claude Franck nach Brasilien. Sie heiratete 1949 Karl Heinrich Theiss und starb 1970 in Curitiba/Brasilien. Claude Franck Löwenthal lebt heute in Brasilien und ist Experte für Energieversorgung. Sein Vater Paul Löwenthal wurde 1967 vom Amtsgericht Schöneberg für tot erklärt.