Hanna Ruth Thal geb. Loschinski

Verlegeort
Pauline-Staegemann-Straße 2
Historischer Name
Barnimstr. 32
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
08. September 2022
Geboren
01. Dezember 1922 in Berlin
Beruf
Krankenschwester
Deportation
am 16. Juni 1943 nach Theresienstadt
Später deportiert
am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz
Ermordet
in Auschwitz
Biografie

Hanna Ruth Loschinski kam am 1. Dezember 1922 in Berlin als Tochter des jüdischen Kaufmanns Paul Loschinski und dessen Ehefrau Regina, geb. Kirschbaum, zur Welt. Ihre Familie war erst kurz vor ihrer Geburt aus der ehemals preußischen Provinz Posen in die Reichshauptstadt übersiedelt.

Schokken (polnisch: Skoki), die 35 km nördlich von Posen gelegene Heimatstadt der Familie Loschinski, in der 1914 auch Ruths Schwester Herta geboren wurde, musste nach dem Ende des Ersten Weltkriegs aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages von Deutschland an Polen abgetreten werden. Eine große Anzahl von Personen, die nun zur deutschen Minderheit in der neu gegründeten Republik Polen zählten, wanderte in der Folge nach Deutschland aus. So auch die Loschinskis.

Die Familie lebte im Bezirk Friedrichshain: Zunächst in der Friedrichsberger Straße 13, etwa ab 1925 in der Höchste Straße 21 und um 1934 bezogen sie in der Barnimstraße 32 eine Zweizimmerwohnung mit Küche. Das Haus existiert nicht mehr, es befand sich dort, wo heute die Nordostseite des Hauses Pauline-Staegemann-Straße 2 ist.

Die schrittweise Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden betraf auch die Familie Loschinski. Zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben erschwerten in den folgenden Jahren die familiäre Existenz.

Nach Beendigung ihrer Schulzeit begann Ruth zunächst eine kaufmännische Ausbildung. Ihrer Schwester Herta zufolge musste Ruth unter den damaligen Bestimmungen als Jüdin ab Oktober 1938 für ein Jahr in einem Haushalt arbeiten und ihre Lehre abbrechen. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Ruth bei Herta und deren Ehemann Ernst Morry Goldstein in der Passauer Straße 26 in Schöneberg. Im Juni 1938 war Ruths Nichte Evelin Goldstein zur Welt gekommen.

Nach Ablauf des Haushaltsjahres konnte sie als Jüdin keine Anstellung mehr finden und trat dann als Lernschwester in das Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Berlin im Wedding ein. Dort verstarb Ruths Mutter am 19. Februar 1941 im Alter von 50 Jahren an Darmkrebs. Ihr Vater war zu diesem Zeitpunkt als Erdarbeiter bei der Gärtnerei-Verwaltung in Steglitz zwangsverpflichtet.

Ruth heiratete im Januar 1942 Bruno Thal, geb. am 22. Juni 1917 in Nakel an der Netze (polnisch: Naklo nad Notecia). Das junge Ehepaar lebte fortan mit Ruths Vater in der Barnimstraße 32. Ruth war weiterhin als Krankenschwester tätig, Bruno musste als Hilfsarbeiter Zwangsarbeit leisten.

Hanna Ruth Thal, ihr Ehemann Bruno und ihr Vater Paul Loschinski wurden am 16. Juni 1943 vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 mit dem „91. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Paul Loschinski überstand die Lebensbedingungen im KZ – Unterernährung, schlechte Unterkunft, trostlose hygienische Situation, grassierende Krankheiten, schwere körperliche Arbeit – fast ein Jahr. Er kam am 5. Mai 1944 im Alter von 66 Jahren ums Leben.

Ruth Thal wurde am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihren Ehemann Bruno hatte man bereits am 29. September 1944 dorthin verschleppt. Er wurde am 2. Oktober dem „Kommando Golleschau“ zugeteilt. Das Außenlager Golleschau lag etwa 60 km südwestlich von Auschwitz. Die Häftlinge mussten Zwangsarbeit in Steinbrüchen oder im Zementwerk verrichten. Bruno Thal kam dort zu einem unbekannten Zeitpunkt ums Leben.

Ruths Schwester Herta musste Zwangsarbeit bei Zeppelin Luftschiffbau in Berlin-Tempelhof, ihr Mann Ernst Goldstein bei der Generalbau-Inspektion, Abteilung Speer leisten. Die Goldsteins wurden rechtzeitig vor der „ Fabrikaktion “ am 27. Februar 1943 gewarnt, bei der die bis dahin von der Deportation verschonten letzten Berliner Juden, die in kriegswichtigen Betrieben zwangsbeschäftigt waren, verhaftet und deportiert wurden. Das Ehepaar tauchte Anfang März 1943 mit der vierjährigen Tochter Evelin in Berlin unter. Sie versteckten sich zunächst in einer Bodenkammer, später wurden sie von verschiedenen Helfern des Kreises um Dr. Elisabeth Abegg illegal beherbergt und von ihnen mit Geld und Lebensmitteln versorgt.

Die kleine Evelin wurde im Juni 1943 in Ostpreußen auf dem Gut Blöstau der Baronin von Meerscheidt-Hüllessem, das sich 18 km nordöstlich von Königsberg befand, untergebracht. Die Baronin sowie das Verwalterehepaar Frieda und Adolf Bunke waren Mitglieder der Bekennenden Kirche. Herta Goldstein schlug sich Anfang 1944 ebenfalls nach Blöstau durch und versteckte sich dort mit ihrer Tochter, bis sie im Januar 1945 von sowjetischen Truppen befreit wurden. Ihren Ehemann Ernst Goldstein hatte man am 29. Juni 1943 in Berlin verhaftet, am 4. August 1943 nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Da Herta und Evelin Goldstein nicht beweisen konnten, dass sie Juden waren, hinderten die sowjetischen Behörden sie daran, nach Berlin zurückzukehren. Sie wurden im Frühsommer 1945 in die Sowjetunion deportiert, wo Herta Goldstein Zwangsarbeit leisten musste. Beide entkamen aus sowjetischen Arbeitslagern in Litauen. Herta verdingte sich dann einige Zeit als Hausangestellte bei einem jüdischen Richterehepaar in Vilnius. Anfang März 1948 wurden Herta und Evelin Goldstein mit einem Repatriierungstransport in ein Lager nach Löbau (Sachsen) überführt, erst Ende April 1948 konnten sie nach Berlin zurückkehren.

Im Juli 1950 wanderten Mutter und Tochter in die USA aus und ließen sich in San Francisco nieder. Herta Goldstein heiratete 1951 Henry F. Long, der ebenfalls ein Holocaust -Überlebender war. Das Leben während der Verfolgungszeit, unter menschenunwürdigen Bedingungen und in der ständigen Angst, entdeckt zu werden, hatte Herta gesundheitlich schwer zugesetzt.

Herta Long verstarb 2005 in New Mexico.