Regina Loschinski geb. Kirschbaum

Verlegeort
Pauline-Staegemann-Straße 2
Historischer Name
Barnimstr. 32
Bezirk/Ortsteil
Friedrichshain
Verlegedatum
08. September 2022
Geboren
22. Mai 1890 in Obornik (Posen) / Oborniki
Tot
19. Februar 1941 in Berlin
Biografie

Regina Kirschbaum kam am 22. Mai 1890 in Obornik (polnisch Oborniki) in der preußischen Provinz Posen als Tochter des jüdischen Kaufmanns Hermann Kirschbaum und dessen Ehefrau Helene, geb. Mottek, zur Welt. Die Stadt Obornik liegt etwa 30 km nördlich von Posen. Regina hatte mindestens vier Geschwister: Artur (*1885), Isidor (*1886), Theodor (*1888) und Johanna Therese (*1896).

Über die Kindheit und Jugend von Regina Kirschbaum haben sich keine Informationen erhalten. Sie heiratete am 16. Juni 1913 in Obornik den Kaufmann Paul Loschinski, geb. am 30. Januar 1878 in Schokken (polnisch Skoki). Regina zog nach der Heirat in die ca. 25 km östlich von Obornik gelegene Geburtsstadt ihres Ehemannes, wo am 3. Mai 1914 die Tochter Herta geboren wurde.

Schokken musste aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages 1919 an Polen abgetreten werden. Die Familie Loschinski übersiedelte daraufhin nach Berlin, wo Reginas ältere Brüder bereits lebten. Dort kam am 1. Dezember 1922 die zweite Tochter Hanna Ruth zur Welt. Die Familie lebte in Friedrichshain: Zunächst in der Friedrichsberger Straße 13, etwa ab 1925 in der Höchste Straße 21 und um 1934 bezogen sie in der Barnimstraße 32 eine Zweizimmerwohnung mit Küche. Das Haus existiert nicht mehr. Es befand sich dort, wo heute die Nordostseite des Hauses Pauline-Staegemann-Straße 2 ist.

Die schrittweise Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden seit 1933 erfasste auch die Familie Loschinski. Zahlreiche Maßnahmen der Diskriminierung und sozialen Ausgrenzung, des Entzugs staatsbürgerlicher Rechte sowie der Verdrängung aus dem Berufs- und Wirtschaftsleben erschwerten das Leben der Loschinskis zunehmend.

Laut seiner Tochter Herta war Paul Loschinski seit 1922 Inhaber eines Wäscheversandgeschäfts in der Meyerbeerstraße 8, das er zu Beginn der Verfolgungszeit aufgeben musste. Er war danach im Kaufhaus Kirschbaum in der Baseler Straße 46 in Lichterfelde-West, das Reginas Bruder Theodor Kirschbaum gehörte, angestellt. Das Geschäft musste nach der Pogromnacht im November 1938 geschlossen werden. Paul Loschinski hatte fortan kein regelmäßiges Einkommen mehr und fand nur noch gelegentlich Arbeit.

Tochter Herta hatte 1937 Ernst Morry Goldstein, geb. 1901 in Berlin, geheiratet. Am 26. Juni 1938 kam Regina Loschinskis Enkelin Evelin Goldstein zur Welt.

Die jüngere Tochter Ruth trat 1939 als Lernschwester in das Krankenhaus der Jüdischen Gemeinde Berlin im Wedding ein. Dort verstarb Regina Loschinski am 19. Februar 1941 im Alter von 50 Jahren an Darmkrebs. Ihr Ehemann war zu diesem Zeitpunkt bereits als Erdarbeiter bei der Gärtnerei-Verwaltung in Steglitz zwangsverpflichtet.

Die Tochter Hanna Ruth heiratete im Januar 1942 Bruno Thal, geb. 1917 in Nakel (polnisch Nakło). Das junge Ehepaar lebte fortan mit Paul Loschinski in der Barnimstraße 32.

Die drei Familienmitglieder wurden am 16. Juni 1943 vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 mit dem „91. Alterstransport“ nach Theresienstadt deportiert. Paul Loschinski überstand die Lebensbedingungen im Ghetto – Unterernährung, schlechte Unterkunft, trostlose hygienische Situation, grassierende Krankheiten, schwere körperliche Arbeit – fast ein Jahr. Er kam am 5. Mai 1944 im Alter von 66 Jahren ums Leben.

Bruno Thal wurde am 29. September 1944, Ruth Thal am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert, wo beide ermordet wurden.

Die Tochter Herta war mit ihrem Mann und der 4-jährigen Tochter Evelin Anfang März 1943 in Berlin untergetaucht. Sie versteckten sich zunächst in einer Bodenkammer. Später wurden sie von verschiedenen Helfern des Kreises um Dr. Elisabeth Abegg illegal beherbergt und von ihnen mit Geld und Lebensmitteln versorgt.

Die kleine Evelin wurde im Juni 1943 in Ostpreußen auf dem Gut Blöstau, das sich 18 km nordöstlich von Königsberg befand, bei Mitgliedern der Bekennenden Kirche untergebracht. Herta Goldstein schlug sich Anfang 1944 ebenfalls nach Blöstau durch und versteckte sich dort mit ihrer Tochter, bis sie im Januar 1945 von sowjetischen Truppen befreit wurden. Ihren Ehemann Ernst Goldstein hatte man am 29. Juni 1943 in Berlin verhaftet, am 4. August 1943 nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Erst im April 1948 konnten Herta und Evelin Goldstein nach Berlin zurückkehren. Im Juli 1950 wanderten sie in die USA aus.

Reginas Bruder Artur Kirschbaum wurde am 23. Juni 1942 mit dem „XVI. Transport“ nach Minsk deportiert. Nach der Ankunft wurde die Mehrheit der Deportierten in einem Wald bei Maly Trostinec, rund 12 km südöstlich von Minsk, von Angehörigen der Waffen-SS und der Schutzpolizei ermordet.

Ihr Bruder Isidor Kirschbaum wurde mit seiner Frau Emma, geb. Rosenberg, und der Tochter Liselotte am 3. März 1943 mit dem „33. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Theodor Kirschbaum war im März 1939 mit seiner Ehefrau Betty, geb. Kochmann, und der Tochter Hannelore nach Shanghai ausgewandert, ebenso Reginas Schwester Johanna Therese und deren Ehemann Felix Rosenthal.