Helene Kaplan geb. Fink

Verlegeort
NW-Ecke Ritterstraße / Lobeckstraße
Historischer Name
Ritterstraße 30a
Bezirk/Ortsteil
Kreuzberg
Verlegedatum
07. Mai 2024
Geboren
27. September 1883 in Golkowitz (Schlesien) / Gołkowice
Deportation
am 01. November 1941 nach Łódź / Litzmannstadt
Später deportiert
am 28. Juni 1944 nach Chełmno / Kulmhof
Ermordet
Juni 1944 in Chełmno / Kulmhof
Biografie

Helene Fink kam am 27. September 1883 in Golkowitz in der preußischen Provinz Schlesien als Tochter des jüdischen Gasthausbesitzers Adolf Fink und seiner Ehefrau Anna, geb. Perl, zur Welt. Der kleine Ort Golkowitz (polnisch Gołkowice) liegt etwa 60 km südwestlich von Kattowitz, an der polnisch-tschechischen Grenze. Als Kleinkind übersiedelte Helene mit ihren Eltern in das Dorf Königlich Radoschau (polnisch Radoszowy), das etwa 50 km nordwestlich von Golkowitz liegt. Dort wurden ihre Schwestern geboren: Regina (*1887), Elise (*1890), Anna (*1897) und Irma (*1899). Über die Kindheit und Jugend von Helene Fink haben sich ansonsten keine Informationen erhalten. Sie erlernte den Beruf der Putzmacherin – diese fertigen Kopfbedeckungen für Damen – und übersiedelte zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Breslau. Dort brachte sie am 8. Juni 1906 ihren Sohn Werner Fink zur Welt. Über den Vater des Jungen ist nichts bekannt.

Helene Fink heiratete zu einem unbekannten Zeitpunkt den Dekorateur Hugo Kaplan, geb. am 10. Juni 1887 in Ostrowo (Posen). Auch er gehörte der jüdischen Religionsgemeinschaft an. 

Die kleine Familie übersiedelte um 1918 von Breslau in die Reichshauptstadt, wo das Ehepaar Kaplan in der Brunnenstraße 181 in Mitte ein Geschäft für Damenhüte eröffnete. Seit Anfang der 1920er Jahre verkauften sie dort auch Strickwaren. Laut Berliner Adressbuch betrieb Hugo Kaplan Mitte der 1920er Jahre in der Veteranenstraße 8 sogar seine eigene Mechanische Strick- und Wirkwaren-Fabrik „Huka“.

Seit 1927 firmierte das Geschäft der Kaplans in der Brunnenstraße 181 im Adressbuch als „Sportmodehaus“, um 1929 bezog das Ehepaar eine Wohnung in der Neuen Schönhauser Straße 19. Sie lebten in gutbürgerlichen Verhältnissen. 

Als das Geschäft infolge der Wirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre zurückging, gab das Ehepaar Kaplan den Laden und die Wohnung in Mitte auf, zog nach Kreuzberg und gründete eine kleine Firma, in der sie Lampenschirme fabrizierten.

Laut Werner Fink hatte Hugo Kaplan zur Fabrikation der Lampenschirme größere Kellerräume im Haus Ritterstraße 30a, in dem das Ehepaar auch seine Wohnung hatte, gemietet – das Gebäude existiert nicht mehr, es befand sich an der Ritterstraße / Ecke Brandenburgstraße (heute Lobeckstraße). Die Kaplans beschäftigten je nach Arbeitsanfall drei oder vier ungelernte weibliche Arbeitskräfte. Während Helene Kaplan sich vor allem um die Herstellung der Lampenschirme kümmerte, war ihr Ehemann hauptsächlich für den Verkauf zuständig. Trotz des allgemeinen Boykotts jüdischer Geschäftsleute müssen die Lampenschirme der Kaplans einen guten Absatz gefunden haben. 

Mit der zunehmenden Entrechtung und Verfolgung von Juden schickte die Jüdische Gemeinde regelmäßig eine Anzahl von Umschülern in den Betrieb, um diese in Vorbereitung auf ihre Auswanderung auf Handwerksberufe umzuschulen. Auf diese Weise arbeiteten in der Lampenschirm-Fabrik etwa 10 bis 13 Leute. 

Der Sohn Werner Fink wanderte im September 1938 mit seiner Frau Elka, geb. Berkman, die er 1936 in Berlin geheiratet hatte, über Antwerpen nach New York aus. Er stand mit seinen Eltern zunächst noch in Briefkontakt und erfuhr so, dass sie Ende 1938 gezwungen wurden, die Lampenschirmfabrikation einzustellen. Auch Hugo und Helene Kaplan wollten Deutschland nun verlassen: Sie ließen sich auf der Einwanderer-Warteliste des Amerikanischen Generalkonsulats in Berlin vornotieren. Doch zur Emigration sollte es nicht mehr kommen. 

Helene und Hugo Kaplan wurden am 1. November 1941 vom Bahnhof Grunewald mit dem 4. Osttransport in das Ghetto Lodz deportiert. Die Lebensbedingungen im Ghetto waren unmenschlich: Die Bewohner mussten Zwangsarbeit leisten, litten unter Unterernährung, starben massenhaft an Krankheiten oder erfroren im Winter. Die engen und unzureichenden Wohnverhältnisse sowie die trostlose hygienische Situation trugen ebenfalls zur hohen Sterberate bei. Helene und Hugo Kaplan schafften es trotzdem, unter diesen Bedingungen über 2 ½ Jahre zu überleben. Am 28. Juni 1944 wurden sie in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) deportiert und ermordet.

Helenes Schwester Anna wurde mit ihrem Ehemann Max Perl und den beiden Töchtern am 13. April 1942 von Breslau in das Ghetto Izbica, Irma Fink wurde von Breslau am 3. Mai 1942 in den Distrikt Lublin deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Sie kamen zu einem unbekannten Zeitpunkt ums Leben. 

Helenes Schwester Regina wurde mit ihrem Ehemann Max Moritz Juliusburger am 4. März 1943 von Breslau nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Helenes Schwester Elise Pazulla wurde von Berlin am 27. Oktober 1944 mit dem 112. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert, erlebte aber die Befreiung des Ghettos im Mai 1945.